Der Weg geht von der Anhöhe von Schlossböckelheim ins ca. 2 Kilometer im Tal gelegene Waldböckelheim. In Waldböckelheim erinnert eine Tafel an der alten Zehntscheune daran, dass auch Hildegard als „Zehnt“, d.h. als zehntes Kind, Gott geweiht wurde (Tafel 38). Zwei Meditationstafeln zeigen die ersten beiden Visionen des dritten Buches des Liber Scivias. Um die erste Vision zu betrachten, die sich mit dem kosmischen Drama beschäftigt (Tafel 37), ist ein kleiner Anstieg auf die weithin auf einer markanten Anhöhe gelegene evangelische Kirche aus dem 19. Jahrhundert erforderlich.
Die zweite Meditationstafel zu Hildegards Plan der Stadt Gottes ist an der katholischen St. Bartholomäuskirche zu bewundern (Tafel 39); hier findet sich auch eine Hildegardreliquie. Der Hildegardweg bewegt sich dann deutlich weg von Bad Kreuznach, der größten Stadt im Nahetal, weiter in nördlicher Richtung in den Soonwald hinein. Der Grund für diese Wegführung ist, dass wir uns in die historischen Hildegardorte bewegen wollen, die hier viel mit ihrer Lehrerin Jutta von Sponheim und deren Familie der Grafen von Sponheim zu tun haben, die bis ins 15. Jahrhundert hinein die ganze Region beherrschten.
Nach einer ca. 2 Kilometer langen Wanderung gelangen wir nach Burgsponheim. Hier lädt ein Besuch der Burgruine zu einer Rast und zur Erinnerung an die Geschichte Juttas und Hildegards ein. So wissen wir aus Hildegards Vita, dass sie mit acht Jahren zu Jutta gebracht wurde, um damit zugleich „zu geistlichem Leben Gott dargebracht“ wurde; aber anders als früher angenommen, kam Hildegard nicht auf dem Disibodenberg, wo beide erst im Alter von 14 und 20 Jahren eintraten, sondern wahrscheinlich hierhin auf Burg Sponheim. Hier findet sich auch eine Infotafel zu Jutta von Sponheim (Tafel 40), der von der strengen asketischen Reformbewegung ihrer Zeit geprägten Lehrerin Hildegards. Die Meditationstafel zu Hildegards Vision vom Turm des Ratschlusses (Tafel 41), hat zum Gedicht des Tages angeregt.
Nach dem Besuch der Burg führt der Weg über die Hauptstraße Burgsponheims zum Erbacher Hof. Dort können wir unser Gepäck lagern oder auch übernachten. Nach einem Mittagessen besteht die Möglichkeit die Grafenrunde Burgsponheim zu erwandern, die auch nach Sponheim führt oder direkt nach Sponheim gehen, das mit seiner bedeutsamen Klosterkirche schon von weitem sichtbar ist. Für den Hildegardweg ist Kloster Sponheim auch bedeutend, weil es der einzige erhaltene Bau aus ihren Lebzeiten, dem 12. Jahrhundert, ist. Im Kloster Sponheim wird auch an den Humanisten und Abt Johannes Trithemius (1462-1516) erinnert, der von 1483-1505 dem Kloster Sponheim vorstand und der sich in seinen historischen Schriften immer wieder auf die von ihm verehrte Hildegard von Bingen bezog und wesentlich zu ihrem Ruhm beitrug, wenngleich seine historisch nicht korrekten Angaben, z.B. über ihren angeblichen Geburtsort Burg Böckelheim, bis zum Beginn der neueren Hildegardforschung im 20. Jahrhundert unhinterfragt übernommen wurden.
Für die Pilger gibt es nun auch die Meditationstafel zur „Säule des Wortes Gottes“ zu betrachten (Tafel 42). Wer noch etwas verweilen möchte, dem sei ein meditativer Gang durch das dort neu an der Klosterkirche angelegte Labyrinth empfohlen, wem sich die Chance eröffnet an einem der dort vom Förderverein Klosterkirche e.V. organisierten Konzerte teilzunehmen, der nutze diese Chance! Für rüstige Pilgerwanderer geht der Weg jetzt weiter auf eine Wanderung durch den Wald ins ca. 3 Kilometer entfernte Braunweiler. Am späten Abend empfiehlt es sich evtl. die Strecke auch einfach zu fahren, denn bis ins Übernachtungsquartier Braunweiler gibt es nun keine Hildegardtafel mehr. Zur Lektüre sei der Text des Tages von Chung Hyun Kyung empfohlen. Diese weltbekannte koreanische Theologin, die in einfachen klaren Worten schreibt, nähert sich „Schwester Hildegard“ nicht nur aus christlich-feministischer Sicht, sondern auch aus ihrer Praxis als buddhistische Mönchin.
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